Die folgende Erklä­rung trägt den Titel “Prin­zi­pien der Tole­ranz” und wurde am 16. November 1995 von den Mitglied­staaten der UNESCO verab­schiedet.

Erklä­rung von Prin­zi­pien der Tole­ranz

Entschlossen, alle posi­tiven Schritte zu unter­nehmen, die notwendig sind, um den Gedanken der Tole­ranz in unseren Gesell­schaften zu verbreiten – denn Tole­ranz ist nicht nur ein hoch­ge­schätztes Prinzip, sondern eine notwen­dige Voraus­set­zung für den Frieden und für die wirt­schaft­liche und soziale Entwicklung aller Völker, erklären wir:

1.1 Tole­ranz bedeutet Respekt, Akzep­tanz und Aner­ken­nung der Kulturen unserer Welt, unserer Ausdrucks­formen und Gestal­tungs­weisen unseres Mensch­seins in all ihrem Reichtum und ihrer Viel­falt. Geför­dert wird sie durch Wissen, Offen­heit, Kommu­ni­ka­tion und durch Frei­heit des Denkens, der Gewis­sens­ent­schei­dung und des Glau­bens. Tole­ranz ist Harmonie über Unter­schiede hinweg. Sie ist nicht nur mora­li­sche Verpflich­tung, sondern auch eine poli­ti­sche und recht­liche Notwen­dig­keit. Tole­ranz ist eine Tugend, die den Frieden ermög­licht, und trägt dazu bei, den Kult des Krieges durch eine Kultur des Frie­dens zu über­winden.
1.2 Tole­ranz ist nicht gleich­be­deu­tend mit Nach­geben, Herab­las­sung oder Nach­sicht. Tole­ranz ist vor allem eine aktive Einstel­lung, die sich stützt auf die Aner­ken­nung der allge­mein­gül­tigen Menschen­rechte und Grund­frei­heiten anderer. Keines­falls darf sie dazu mißbraucht werden, irgend­welche Einschrän­kungen dieser Grund­werte zu recht­fer­tigen. Tole­ranz muss geübt werden von einzelnen, von Gruppen und von Staaten.
1.3 Tole­ranz ist der Schluß­stein, der die Menschen­rechte, den Plura­lismus (auch den kultu­rellen Plura­lismus), die Demo­kratie und den Rechts­staat zusam­men­hält. Sie schließt die Zurück­wei­sung jegli­chen Dogma­tismus und Abso­lu­tismus ein und bekräf­tigt die in den inter­na­tio­nalen Menschen­rechts­do­ku­menten formu­lierten Normen.
1.4 In Über­ein­stim­mung mit der Achtung der Menschen­rechte bedeutet prak­ti­zierte Tole­ranz weder das Tole­rieren sozialen Unrechts noch die Aufgabe oder Schwä­chung der eigenen Über­zeu­gungen. Sie bedeutet für jeden einzelnen Frei­heit der Wahl seiner Über­zeu­gungen, aber gleich­zeitig auch Aner­ken­nung der glei­chen Wahl­frei­heit für die anderen. Tole­ranz bedeutet die Aner­ken­nung der Tatsache, dass alle Menschen, natür­lich mit allen Unter­schieden ihrer Erschei­nungs­form, Situa­tion, Sprache, Verhal­tens­weisen und Werte, das Recht haben, in Frieden zu leben und so zu bleiben, wie sie sind. Dazu gehört auch, dass die eigenen Ansichten anderen nicht aufge­zwungen werden dürfen.

2.1 Tole­ranz auf der Ebene staat­li­chen Handelns erfor­dert Gerech­tig­keit und Unpar­tei­lich­keit in der Gesetz­ge­bung, bei der Anwen­dung der Gesetze sowie in Justiz und Verwal­tung. Sie erfor­dert auch, dass wirt­schaft­liche und soziale Chancen jeder einzelnen Person ohne Unter­schied zuteil werden. Ausgren­zung und Rand­stän­dig­keit können Frustra­tion, Feind­se­lig­keit und Fana­tismus zur Folge haben.
2.2 Auf dem Weg zu einer tole­ran­teren Gesell­schaft sollten Staaten die vorhan­denen inter­na­tio­nalen Menschen­rechts­kon­ven­tionen rati­fi­zieren und neue Gesetze erlassen, soweit dies erfor­der­lich ist zur Sicher­stel­lung von Gleich­be­hand­lung und Chan­cen­gleich­heit für alle Gruppen und Indi­vi­duen in der Gesell­schaft.
2.3 Für ein harmo­ni­sches inter­na­tio­nales Zusam­men­leben ist es wesent­lich, dass einzelne, Gemein­schaften und Nationen den multi­kul­tu­rellen Charakter der Mensch­heit aner­kennen und respek­tieren. Ohne Tole­ranz gibt es keinen Frieden, und ohne Frieden kann es weder Demo­kratie noch Entwicklung geben.
2.4 Into­le­ranz zeigt sich oft in Form von Margi­na­li­sie­rung schutz­loser Gruppen und ihrer Ausgren­zung von sozialer und poli­ti­scher Parti­zi­pa­tion, verbunden mit Gewalt und Diskri­mi­nie­rung. Nach den Bestim­mungen der Erklä­rung über “Rasse” und rassi­sti­sche Vorur­teile “haben alle Personen und Gruppen das Recht, verschieden zu sein” (UNESCO-Erklä­rung vom 27.11.1978, Artikel 1.2).

3.1 In der heutigen Welt ist Tole­ranz wich­tiger als jemals zuvor. Diese Epoche ist gekenn­zeichnet durch Globa­li­sie­rung der Wirt­schaft und durch schnell zuneh­mende Mobi­lität, Kommu­ni­ka­tion, Inte­gra­tion und Inter­de­pen­denz, gewal­tige Wande­rungs­be­we­gungen und Vertrei­bung ganzer Bevöl­ke­rungen, Verstäd­te­rung und Wandel sozialer Muster. Da jeder Teil der Welt das Merkmal der Viel­falt trägt, bedrohen zuneh­mende Into­le­ranz und Zwie­tracht poten­tiell jede Region. Sie sind nicht begrenzt auf einzelne Länder, sondern eine globale Gefahr.
3.2 Tole­ranz ist notwendig zwischen einzelnen wie in Familie und Gemein­schaft. Tole­ranz und Offen­heit, die Fähig­keit zum Zuhören und Soli­da­rität sollten vermit­telt werden in Schulen und Univer­si­täten wie in außer­schu­li­scher Bildung, zu Hause und am Arbeits­platz. Die Massen­me­dien können eine konstruk­tive Rolle spielen, indem sie Räume schaffen für freien und offenen Dialog und Diskus­sion, die Werte der Tole­ranz verbreiten und hinweisen auf die Gefahren der Indif­fe­renz gegen­über der Ausbrei­tung into­le­ranter Gruppen und Ideo­lo­gien.
3.3 Wie schon die UNESCO-Rassen­de­kla­ra­tion bekräf­tigt, müssen, wo immer nötig, Maßnahmen zur Siche­rung von Gleich­heit in Würde und der Rechte einzelner oder ganzer Gruppen ergriffen werden. Dabei sollten sozial oder wirt­schaft­lich benach­tei­ligte und deshalb beson­ders gefähr­dete Gruppen beson­dere Beach­tung finden durch Schutz­ga­ran­tien der geltenden Gesetze und Sozi­al­hil­fe­maß­nahmen, insbesondere in den Berei­chen Wohnung, Arbeit und Gesund­heit, durch Achtung der Authen­ti­zität ihrer Kultur und ihrer Werte und – insbesondere über Bildungs­maß­nahmen – durch Förde­rung ihrer sozialen und beruf­li­chen Entwicklung und Inte­gra­tion.
3.4 Zur Koor­di­na­tion der Antwort der inter­na­tio­nalen Gemein­schaft auf diese globale Heraus­for­de­rung sollten die erfor­der­li­chen wissen­schaft­li­chen Studien betrieben und Netz­werke aufge­baut werden, einschließ­lich sozi­al­wis­sen­schaft­li­cher Erkun­dung der tieferen Ursa­chen und wirk­samer Gegen­maß­nahmen sowie Begleit­for­schung zur Politik und Gesetz­ge­bung der Mitglied­staaten.

4.1 Bildung ist das wirk­samste Mittel gegen Into­le­ranz. Der erste Schritt bei der Vermitt­lung von Tole­ranz ist die Unter­rich­tung des einzelnen Menschen über seine Rechte und Frei­heiten und die damit verbun­denen Ansprüche sowie die Heraus­bil­dung des Willens zum Schutz der Rechte und Frei­heiten anderer Menschen.
4.2 Erzie­hung zur Tole­ranz gehört zu den vordring­lich­sten Bildungs­zielen. Deshalb ist es notwendig, für den Unter­richt zum Thema Tole­ranz syste­ma­ti­sche und ratio­nale Lehr­me­thoden zu verbreiten, die aufklären über die kultu­rellen, sozialen, wirt­schaft­li­chen, poli­ti­schen und reli­giösen Wurzeln von Into­le­ranz – und damit über die tieferen Ursa­chen von Gewalt und Ausgren­zung. Bildungs­po­litik und Lehr­pläne sollen ihren Beitrag leisten zur Verstän­di­gung, Soli­da­rität und Tole­ranz zwischen Indi­vi­duen ebenso wie zwischen ethni­schen, sozialen, kultu­rellen, reli­giösen oder Sprach­gruppen und zwischen den Nationen.
4.3 Erzie­hung zur Tole­ranz soll sich bemühen, das Entstehen von Angst vor anderen und der damit verbun­denen Ausgren­zungs­ten­denz zu verhin­dern. Sie soll jungen Menschen bei der Ausbil­dung ihrer Fähig­keit zur unab­hän­gigen Wertung, zum kriti­schen Denken und zur mora­li­schen Urteils­kraft helfen.
4.4 Wir verpflichten uns zur Unter­stüt­zung und zur Umset­zung von sozi­al­wis­sen­schaft­li­chen Forschungs­pro­grammen und von Lehr­plänen zu den Themen Tole­ranz, Menschen­rechte und Gewalt­lo­sig­keit. Beson­dere Aufmerk­sam­keit verdienen deshalb die Verbes­se­rung der Lehrer­aus­bil­dung, der Lehr­pläne, der Unter­richts­in­halte und Lehr­bü­cher sowie anderer Lehr­ma­te­ria­lien einschließ­lich der neuen Unter­richts­tech­no­lo­gien. Ziel ist die Ausbil­dung soli­da­risch und verant­wort­lich denkender Bürger, die offen sind für andere Kulturen, die den Wert der Frei­heit schätzen, die die Menschen­würde ebenso wie zwischen­mensch­liche Unter­schiede achten und die in der Lage sind, Konflikte zu vermeiden oder sie gewalt­frei zu lösen.

Wir verpflichten uns zur Förde­rung von Tole­ranz und Gewalt­lo­sig­keit durch Programme und Insti­tu­tionen in den Berei­chen Bildung, Wissen­schaft, Kultur und Kommu­ni­ka­tion.

Mit dem Ziel, Problem­be­wußt­sein in der Öffent­lich­keit zu wecken, die Gefahren der Into­le­ranz deut­lich zu machen und unser tätiges Enga­ge­ment zu bekräf­tigen, prokla­mieren wir feier­lich den 16. November zum Inter­na­tio­nalen Tag für Tole­ranz.


* Der Begriff “Rasse” wird hier in Anfüh­rungs­zei­chen verwendet, da es sich um ein histo­ri­sches Doku­ment handelt. Dieser veral­tete Sprach­ge­brauch sugge­riert fälsch­lich die tatsäch­liche Existenz verschie­dener mensch­li­cher Rassen, was nach einhel­liger wissen­schaft­li­cher Über­zeu­gung und gemäß vieler Veröf­fent­li­chungen der UNESCO nicht zutrifft.

 

Siehe auch: UNESCO, Kultur, Bildung

Eine Regel kann als eine Vorgabe defi­niert werden, die in verschie­denen sozialen, wissen­schaft­li­chen oder orga­ni­sa­to­ri­schen Berei­chen Anwen­dung findet. Sie basiert häufig auf empi­ri­schem Wissen oder sich wieder­ho­lenden Mustern und dient häufig der Gewähr­lei­stung von Sicher­heit, Ordnung und Effi­zienz. Im Gegen­satz zu Gesetzen sind Regeln nicht recht­lich bindend. Sie können von Insti­tu­tionen, Gruppen oder Indi­vi­duen aufge­stellt werden, um ein bestimmtes Verhalten zu regeln oder Quali­täts­stan­dards zu defi­nieren.

Regeln finden in zahl­rei­chen Lebens­be­rei­chen Anwen­dung. In der Wirt­schaft beispiels­weise können Unter­neh­mens­re­geln dazu beitragen, Geschäfts­pro­zesse zu opti­mieren und die Einhal­tung von Unter­neh­mens­richt­li­nien sicher­zu­stellen. In der Wissen­schaft werden Regeln häufig verwendet, um wissen­schaft­liche Methoden und Stan­dards fest­zu­legen, die die Forschung und den Austausch von Infor­ma­tionen erleich­tern. Auch im Alltag sind Regeln allge­gen­wärtig, zum Beispiel in unseren sozialen Inter­ak­tionen, die unser Verhalten und unsere Bezie­hungen formen.

Wort­her­kunft: latei­nisch regula „Richt­schnur, Maßstab“
Synonym: Grund­regel, Richt­linie, Leit­li­nien, Leit­faden

Siehe auch: Normen, Werte, Prinzip, Grund­werte, Goldene Regel, Kultu­relle Iden­tität, Ethische Bildung

Weiter­füh­rende Infor­ma­tionen finden Sie in der Publi­ka­tion

Der Begriff Reli­gion, abge­leitet vom latei­ni­schen Wort ‘religio’, das ‘Ehrfurcht vor dem Heiligen’ oder ‘das, was gebunden ist’, bezeichnet ein System von Glau­bens­vor­stel­lungen, Prak­tiken und Werten, das oft eine höhere Macht oder Gottheit(en) beinhaltet. Seit Anbe­ginn der mensch­li­chen Zivi­li­sa­tion haben Menschen versucht, das Unbe­kannte zu verstehen und sich mit dem Gött­li­chen zu verbinden, was zur Entste­hung verschie­dener reli­giöser Prak­tiken, Über­zeu­gungen und Welt­an­schau­ungen geführt hat.

Es gibt viele Reli­gionen auf der Welt, von denen jede ihre eigene Inter­pre­ta­tion des Gött­li­chen und des Lebens­zwecks hat. Zu den fünf großen Welt­re­li­gionen gehören das Chri­stentum, der Islam, der Hindu­ismus, der Buddhismus und das Judentum. Jede dieser Reli­gionen hat ihre eigenen heiligen Texte, Rituale und Tradi­tionen. Während sie in ihren Kern­glau­bens­sätzen vari­ieren, suchen alle nach Antworten auf die grund­le­gend­sten Fragen des Lebens und streben nach geistiger Erleuch­tung und Erlö­sung.

Reli­gion spielt eine entschei­dende Rolle im tägli­chen Leben vieler Menschen. Sie beein­flusst ihre Entschei­dungen, ihr Verhalten und ihre Inter­ak­tionen mit anderen. Viele Menschen wenden sich in Zeiten der Not an ihre Reli­gion, suchen Trost in ihren heiligen Schriften oder beten zu ihrer Gott­heit. Reli­gion kann auch als soziales Binde­mittel dienen, das Gemein­schaften zusam­men­bringt und gemein­same Werte und Tradi­tionen teilt.

Genauso wie viele Gläu­bige durch ihre Reli­gion Orien­tie­rung und Sinn finden, gibt es eine bedeu­tende Anzahl von Menschen, die sich als nicht­re­li­giös, agno­stisch oder athe­istisch defi­nieren. Diese Personen wählen oft alter­na­tive Wege, um Bedeu­tung, Tiefe und Gemein­schaft in ihrem Leben zu erkennen. Philosophie, Wissen­schaft und Kunst bieten für viele von ihnen fundierte Antworten auf existen­zi­elle Fragen. Sie finden Zuge­hö­rig­keit in sozialen Netz­werken oder gemein­nüt­zigen Orga­ni­sa­tionen, suchen Erkenntnis in der Natur oder durch medi­ta­tive Prak­tiken. Selbst ohne den Glauben an eine höhere Macht oder Gott­heit verfolgen sie ethische Prin­zi­pien und sind bestrebt, sich konti­nu­ier­lich weiter­zu­ent­wickeln und ein erfülltes Leben zu führen.

In der schu­li­schen Bildung vermit­teln sowohl der Reli­gi­ons­un­ter­richt als auch der Ethikunterricht eine dialo­gi­sche Ausein­an­der­set­zung mit mora­li­schen, philo­so­phi­schen und gesell­schaft­li­chen Frage­stel­lungen.

Wort­her­kunft: latei­nisch religio ‘Bedenken, Gewis­sen­haf­tig­keit’
Synonym: Moral­phi­lo­so­phie

Siehe auch: Welt­an­schauung, Ethische Bildung, Reli­gi­ons­un­ter­richt, Ethikunterricht, Kultur, Werte, Normen

Weiter­füh­rende Infor­ma­tionen finden Sie in der Publi­ka­tion